Was ist der Unterschied zwischen Indica und Sativa?
Jeder Grow-Anfänger fragt sich unweigerlich beim Kauf von Cannabissamen, was "Indica" und "Sativa" überhaupt bedeutet, denn man findet zu fast jeder heute erhältlichen Sorte Angaben zu Indica- und Sativa-Anteilen.
Auch findet man im Internet viele falsche, einseitige, undifferenzierte oder sich widersprechende Informationen, sodass zu diesem Thema häufig eine gewisse Verwirrung oder falsche Annahmen bestehen.
Überblick
Bitte beachte, dass diese Angaben nur Tendenzen darstellen. Die meisten heute erhältlichen Sorten sind Hybride und besitzen sowohl indica- als auch sativa-typische Merkmale.
Betrachte die prozentualen Angaben des Sativa- und Indica-Anteils als eine erste Orientierung über die Hauptmerkmale einer Sorte.
Merkmal | Indica | Sativa |
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Wirkung | Energetisierend, kreativitätsfördernd: "High" | Entspannend, beruhigend, schlaffördernd: "Stoned" |
Wuchshöhe | Kleinbleibend | Hochwachsend |
Wuchsform | Buschig mit vielen Seitentrieben | Schlank mit wenigen, aber kräftigeren, Trieben |
Blätter | Groß und breit | Kleiner und schmal |
Blütedauer | Kurz, meist bis zu 10 Wochen. | Lang, bei modernen Hybridsorten meist 10 - 13 Wochen, Land- und Wildrassen teils deutlich länger. |
Aroma und Terpenprofil | Das Aroma und Terpenprofil ist in erster Linie von der Züchtung abhängig. Der Indica- und Sativa-Anteil einer Sorte lässt keinen Rückschluss auf das Terpenprofil zu. | |
Sorten im Shop | Feminisierte Sorten Autoflowering Sorten | Feminisierte Sorten Autoflowering Sorten |
Wissenschaftliche, botanische Einordnung
Die Einordnung in die botanische Taxonomie wurde bei Cannabis, seinen Unterarten und Varietäten im Lauf der Geschichte mehrfach geändert und ist noch heute umstritten. Insbesondere neueste Erkenntnisse aus gentechnischen Untersuchungen legen eine Einordnung nahe, die sich deutlich von der heute meist verwendeten Einordnung unterscheidet und es existieren aktuell mehrere konkurrierende Modelle zur Einordnung, die wissenschaftlich umstritten sind. [4]
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1753
Erstbeschreibung von Cannabis sativa als monotypische Gattung (Gattung mit nur einer Art) durch Carl von Linné . [1]
Cannabis sativa ist dabei die bis heute gebräuchliche Artbezeichnung für die von uns angebauten Pflanzen, aber auch für Nutzhanf. [1]
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1785
Unterteilung in zwei Arten, Cannabis indica und Cannabis sativa, durch Lamarck . [3]
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1926
Erstbeschreibung von Cannabis ruderalis als neue Art durch den russischen Botaniker Dmitrij E. Janischewsky. [2]
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1980
Eine Arbeit von Loran C. Anderson, in der die Blattformen von Cannabissorten untersucht werden, legt den Grundstein für den heutigen Sprachgebrauch von "Indica" und "Sativa" in der Grow-Szene, der stark von der botanischen Definition abweicht. [3]
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2003
Umfassende genetische Untersuchung von 157 weltweiten Populationen durch Karl W. Hillig. Die Untersuchung verengt den Umfang auf zwei Arten, wobei zwei Varietäten einer Art beschrieben werden: [4]
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Cannabis sativa L., Hanf
- Cannabis sativa var. sativa, Kultur-Hanf
- Cannabis sativa var. spontanea, Wild-Hanf
- Cannabis indica Lam., Indischer Hanf
In der botanischen Taxonomie sind Varietäten in der Hierarchie unterhalb der Unterart eingeordnet. Die Rangfolge ist Art, Unterart, Varietät.
Wenn du nun denkst "Hey, das passt ja super zusammen" muss ich dich leider enttäuschen: Nach dieser Einteilung bezeichnen die Begriffe "Indica" und "Sativa" in der Grow-Szene Pflanzen der Art Cannabis indica.
Auch wurde diese Klassifikation nicht vollständig von der wissenschaftlichen Gemeinschaft übernommen. [4]
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Cannabis sativa L., Hanf
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2020
In einer weiteren umfassenden genetischen Untersuchung von Pflanzenmaterial aus dem Ursprungsgebiet der domestizierten, THC-haltigen Sorten schlagen John M. McPartland und Ernest Small eine neue Gliederung vor, da die festgestellten genetischen Unterschiede innerhalb der Gattung Cannabis zu gering für eine Unterscheidung mehrerer Arten seien. [4]
Nach der vorgeschlagenen, aber aktuell (noch) nicht etablierten, Einteilung wird die Art, wie ursprünglich nach Linné, als "monotypische" Gattung mit nur einer Art klassifiziert. Dabei werden die unterscheidbaren Formen als Unterarten mit Varietäten eingeteilt:
- Cannabis sativa subsp. sativa, umfasst nur zur Fasergewinnung angebaute Formen. Die Wildform dieser Sorte ist der "Ruderal-Hanf" Cannabis sativa var. ruderalis. Diese Form gibt unseren Sorten die Autoflowering-Eigenschaften, enthält jedoch in ihrer Wildform keinen signifikanten Wirkstoffgehalt. [2]
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Cannabis sativa subsp. indica, Indischer Hanf, umfasst alle wegen ihres THC-Gehalts angebauten Sorten.
- Cannabis indica subsp. indica var. indica, diese Varietät weist die typischen "Sativa"-Merkmale auf
- Cannabis indica subsp. indica var. himalayensis
- Cannabis indica subsp. indica var. afghanica, diese Varietät weist die typischen "Indica"-Merkmale auf
- Cannabis indica subsp. indica var. asperrima, Varietät mit hohem CBD-Anteil
Typische Merkmale von Indica- und Sativa-Sorten
Es wird deutlich, dass die botanische Einordnung nur bedingt mit den in der Grow-Szene gebräuchlichen Begriffen in Einklang gebracht werden kann. [3]
Die botanische Einordnung und wissenschaftliche Studien sind also in erster Linie für Züchter interessant.
Für den Hobby-Grower ist in erster Linie relevant, was Züchter im Kopf haben, wenn sie Indica- und Sativa-Anteile ihrer Strains angeben.
Beachte bitte, dass die im Folgenden beschriebenen Merkmale immer nur Tendenzen darstellen. Fast alle heute erhältlichen Sorten sind Hybride, die sowohl Indica- als auch Sativa-typische Merkmale vereinen. [4]
Wirkung
Wenn Züchter einen Indica- und Sativa-Anteil angeben, haben sie sicher zuallererst die Wirkung im Kopf.
Sativa-Sorten besitzen ein eher erhebendes, energetisierendes und kreativitätsförderndes Wirkprofil, also das klassische "High".
Indica-Sorten besitzen eher beruhigende, entspannende und schlaffördernde Eigenschaften, also das bekannte "Stoned".
Man liest immer wieder, dass Sativa-Sorten tendenziell mehr THC und Indica-Sorten
mehr CBD enthalten. Diese Aussage kann jedoch nur als faktisch falsch bezeichnet werden.
Aus der oben erwähnten Arbeit von McPartland und Small aus 2020 geht hervor,
dass der THC-Anteil der von uns als "Indica" bezeichneten Varietät höher ist.
Korrekt ist jedoch, dass das Verhältnis von THC zu CBD bei der Sativa-Varietät
höher ist. Das ist jedoch auf einen sehr geringen CBD-Gehalt dieser Varietät
zurückzuführen und nicht auf einen höheren THC-Gehalt. [4]
Wuchsform

Quelle: Wikimedia Commons – „Cannab2.jpg“ (Public Domain).
Sativa-Sorten sind eher hoch und schmal wachsend und neigen dazu, zu Beginn der Blütephase noch einmal deutlich in die Höhe zu "schießen" (der sog. "Stretch"). Sie besitzen schmalere Blätter und bilden tendenziell weniger Seitentriebe als Indica-Sorten aus, die aber kräftiger sind. Ebenfalls sind Sativa-Sorten tendenziell etwas weniger ertragreich als Indicas und benötigen länger bis zur Erntereife. Somit eignen sich einige Sativa-Sorten mit einer langen Blütephase von 13 Wochen und mehr nicht für den Outdoor-Anbau unter unseren klimatischen Gegebenheiten, da es bis zur Erntereife im Spätherbst einfach bereits zu kalt und regnerisch sein kann. [3]
Indica-Sorten bleiben kleiner. Ihr Wuchs ist buschiger mit mehr Seitentrieben. Die Blätter sind insgesamt größer und breiter.
Bei Sativa-lastigen Sorten lohnt sich daher ein genauer Blick auf die Angabe der Wuchshöhe. Hochwachsende Sativa-Sorten kommen für Micro-Grows mit beengten Höhenverhältnissen oft nicht in Frage. Beim Indoor-Anbau in üblichen Grow-Zelten muss die Wachstumsphase kürzer als bei Indicas gehalten werden, da die Pflanzen sonst während des "Stretches" zu hoch werden und im schlimmsten Fall die Lampe erreichen.
Im Outdoor-Grow kann eine späte Aussaat von Sativa-Sorten gewünscht sein, da diese bei früher Aussaat beachtliche Höhen von mehreren Metern mit entsprechenden Ertragsmengen erreichen können.
Aromen und Terpenprofile
Dieser Punkt wird bewusst zuletzt genannt, da die Aromen und das Terpenprofil primär von der jeweiligen Züchtung abhängig sind und Züchter bei der Angabe der Sativa- und Indica-Anteile weniger das Aroma- und Terpenprofil einbeziehen.
Es kann aber festgehalten werden, dass Ur-Sativa-Sorten zu pflanzlichen, kräuterartigen und süßlichen Aromen neigen, was auf einen höheren Gehalt der Terpenoide Terpinolen, β-Caryophyllen und Trans-β-farnesen und α-Guaien zurückzuführen ist. [4]
Ursprüngliche Indica-Strains neigen hingegen eher zu scharf-würzigen, Skunk-artigen Aromen, was auf die Terpenoide Guaiol, γ- und β-Eudesmol, Nerolidol, γ-Elemen, α-Terpineol und β-Fenchol zurückgeführt werden kann.
Im Internet stolpert man häufig über Aussagen, dass Sativa-Strains zu
zitrusartigen, fruchtigen oder blumigen Aromen neigen. Wissenschaftlich ist
dies aber nicht belegbar und fällt eher in die Kategorie "Trust me, bro!".
Es ist sicher nicht falsch zu sagen, dass viele sativa-dominante Strains
zitrusartige Aromen besitzen, bei uns im Shop sind es etwa die Hälfte.
Dies gilt aber genauso aber auch für die indica-dominanten Sorten. Bei den
"fruchtigen" Aromen ist der Anteil unter den Indica-Strains sogar höher.
Wie bestimmen Züchter den Indica- und Sativa-Anteil eines Strains?
Es existieren keine fest definierten Kriterien zur Bestimmung der Anteile. Die Anteile der Eltern-Strains bieten aber immer einen ersten Anhaltspunkt. Darüber hinaus dienen die hier genannten Merkmale auch dem Züchter.
Aber sind die Angaben dann nicht vollkommen nutzlos, wenn Züchter sie "Pi mal Daumen" festlegen?
Nein, überhaupt nicht. Gerade dadurch, dass die Anteile aus der Wahrnehmung des Züchters heraus entstehen, der in einem langen Prozess immer wieder sorgfältig nach gewünschten Merkmalen selektiert und so einen neuen Strain kreiert, bieten diese Angaben eine hervorragende erste Orientierung, aber eben auch nicht mehr.